Zusammenfassung: Der Blog-Beitrag erläutert den Unterschied zwischen einem Dienstvertrag und einem Werkvertrag und welche Bedeutung dies für einen Dienstleistungsvertrag hat. Dabei wird betont, dass die Unterscheidung zwischen den beiden Vertragsarten (Dienst- oder Werkvertrag) vor allem bei der Abgrenzung von Vergütungsansprüchen und Haftungsfragen relevant ist.

 

Justitia - Dienst- oder Werkvertrag

In meinem BLOG 5 bin ich auf unterschiedliche Partnering-Modelle auf T&M Basis (Abrechnung nach Zeit und Aufwand) eingegangen. Was die rechtliche Vertragsform angeht, habe ich sowohl als Vertreter der Anwenderseite (Auftraggeber) als auch als Verantwortlicher IT-Dienstleister (Auftragnehmer) in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer nur Diskussionen darum geführt und verfolgt, ob wir einen Dienstleistungsvertrag oder einen Werkvertrag anstreben und abschließen wollen. Dem zugrunde lag im Wesentlichen immer die Fragestellung, ob wir einen Festpreisvertrag (Werkvertrag; in der Regel mit Meilensteinfakturierung) oder einen nach Zeit und Aufwand (Dienstleistungsvertrag; in der Regel mit monatlicher Abrechnung der bestätigten Tätigkeitsberichte zum vereinbarten Stundensatz) vereinbaren sollten.

Ferner war es allgemein akzeptiert, dass bei einem Werkvertrag (Fixpreis) ein Risiko-Zuschlag erfolgen durfte, weil ja einerseits der Dienstleister die Aufwände zur Ermittlung des Festpreises vorab schätzen und außerdem allfällige Fehlerkorrekturen und damit im Zusammenhang stehende Kosten ebenfalls selbst tragen musste. In einem Dienstleistungsvertrag wurde dahingegen stillschweigend davon ausgegangen, dass alle Aufwände abgerechnet werden können, egal, ob sie ursächlich durch die Anforderung oder durch das eigene Unvermögen in Form notwendiger Fehlerkorrekturen erzeugt wurden.

Zwar wird die Unterscheidung zwischen Dienst- und Werkvertrag – wie einige andere genauere Regelungen – grundsätzlich vor allem in der DACH-Region beachtet. Doch das Konzept ist im Grundsatz auch im restlichen Europa, in den USA oder z.B. in Japan nicht fremd. Entsprechend basieren nachfolgende Bezüge zu Gesetzen oder Gerichtsurteilen auf der Rechtsprechung in Deutschland.

Im Laufe des vergangenen Jahres hatte ich das Privileg mit Dr. Christian Förster, einem sehr versierten und im IT-Recht spezialisierten Rechtsanwalt, einige vertragliche Situationen als Vertreter des Anwenders mit verschiedenen IT-Dienstleistern klären zu dürfen.

 

Die erste und wichtigste Erkenntnis für mich war: : Einen Dienstleistungsvertrag als gesetzlich vorgesehene Vertragsform gibt es gar nicht!

 

Um die vom Dienstleister geschuldete Leistung eindeutig zu bestimmen, muss man sich vielmehr zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag entscheiden:

  1. Beim Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) wird lediglich eine vertraglich festgelegte Leistung geschuldet, bei der es sich um „Dienste jeder Art“ handeln kann. Die Haftung für Mängel der Leistung richtet sich nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff. BGB), so dass z.B. für Schlechtleistung in gegenständlicher (Mangel) oder zeitlicher Hinsicht (Verzug) unter Umständen Schadensersatz verlangt werden kann.

Allgemein gesprochen: Im Rahmen eines Dienstvertrages schuldet der Auftragnehmer dem Auftraggeber lediglich die Zeit und das Bemühen, eine ihm übertragene Aufgabenstellung im Rahmen seiner Möglichkeiten bestmöglich zu bewältigen. Das beste Beispiel für einen Dienstvertrag ist das Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – hier schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber z.B. 35 Std pro Woche und wird entlohnt, wenn er entsprechend anwesend war und sich bemüht hat, die ihm übertragenen Aufgaben zu erledigen. Ob und wie gut das funktioniert hat und ergo die Ergebnisse sind, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

  1. Beim Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) ist demgegenüber ein „Werk“ herzustellen, d.h. es wird ein vertraglich festgelegter „Erfolg“ geschuldet. Das Werkvertragsrecht sieht daher auch eine gelungene Abnahme als Voraussetzung für den Entgeltanspruch des Unternehmers (= Auftragnehmer) vor (§§ 640, 641 BGB). Die Mängelgewährleistung ist eigenständig und ähnlich wie beim Kaufvertrag geregelt (§§ 633 ff. BGB), sie sieht als besondere Rechtsbehelfe Nacherfüllung (Reparatur oder Neuherstellung), Ersatzvornahme durch den Besteller (= Auftraggeber) nach erfolgloser Fristsetzung sowie Minderung vor. Etwaige Schadensersatzansprüche richten sich aber wiederum nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht wie beim Dienstvertrag.

Allgemein gesprochen: Im Rahmen eines Werkvertrages schuldet der Auftragnehmer dem Auftraggeber den Erfolg, also das erfolgreiche Ergebnis seiner Arbeit. Wesentlich ist dabei dann implizit, dass die folgenden Aspekte festgelegt sind: das zu erstellende Ergebnis,die Kriterien für die Abnahme, der Abnahmeprozess und die Folgen einer nicht erfolgreichen Abnahme (Korrigierende Maßnahmen)

Häufig ist es so, dass das insgesamt in einem Werkvertrag vereinbarte Gewerk sich aus der erfolgreichen Lieferung mehrerer kleinerer Gewerke zusammensetzt und die Teilergebnisse und Abnahmekriterien pro Gewerk definiert werden, während der Abnahmeprozess und die korrigierenden Maßnahmen einheitlich für alle Gewerke festgelegt werden können.

Wesentlich ist aber, dass der Entgeltanspruch des Auftragnehmers erst entsteht, wenn der Auftraggeber das Gewerk abgenommen hat.

Da es Dienstleistungsverträge als solche rechtlich gesehen nicht gibt, gehen die Auftragnehmer größtenteils davon aus, dass es sich bei ihren Aufträgen um Dienstverträge handelt, sie also unabhängig von den Arbeitserfolgen die aufgewendeten Zeiten abrechnen können. Im Gegensatz dazu gehen die Auftraggeber davon aus, dass sie vereinbarte Ergebnisse geliefert bekommen, selbst wenn diese nicht detailliert und mit Abnahmekriterien versehen sind.

 

 

Aber um was handelt es sich denn nun bei Dienstleistungsverträgen im Kontext von SAP-Implementierungen?

 

Die Erstellung von Software, was die Anpassung (auch sog. „Customizing“) und Implementierung von Standardsoftware einschließt, wird seit jeher von Rechtsprechung und Literatur als Werkvertrag eingeordnet. Im Vordergrund stand und steht bei Standardsoftware freilich die Abgrenzung zum Kaufvertrag, der Dienstvertrag spielt hier praktisch keine Rolle.

Der BGH hat diese Einordnung wiederholt bestätigt (erstmalig BGH BeckRS 1971, 31011275; später etwa BGHZ 102, 135 = NJW 1988, 406), aus jüngerer Zeit siehe beispielsweise:

  • Zutreffend [wurde] die als „Dienstleistungsvertrag für ein P-Software-System” bezeichnete vertragliche Vereinbarung vom 28. 7. 2004 als Werkvertrag qualifiziert. Gegenstand dieses Vertrags war eine umfangreiche Anpassung der P-Software der Bekl. an die Bedürfnisse der Kl. und die Schaffung von Schnittstellen zur CWL. (BGH NJW 2010, 2200 Rn. 14)
  • Zutreffend [wurde] der Vertrag der Parteien als Werkvertrag eingeordnet. Gegenstand des Vertrags war die Anpassung der Software der Bekl. an die Bedürfnisse der Kl. und die Schaffung von Schnittstellen zu den Online-Shops. Damit schuldete die Bekl. die Herbeiführung des vertraglich vereinbarten Erfolgs als Ergebnis einer individuellen Tätigkeit für die Kl. (BGH NJW-RR 2014, 1204 Rn. 13)

Soweit explizit nichts anderes vereinbart ist, sind Dienstleistungsverträge also als Werkverträge einzustufen. Dies bedeutet, dass zumindest die folgenden Aspekte einvernehmlich vor Vertragsabschluss geregelt sein sollten:

  • das zu erstellende Ergebnis
  • die Kriterien für die Abnahme
  • der Abnahmeprozess
  • die Folgen einer nicht erfolgreichen Abnahme (Korrigierende Maßnahmen im Rahmen der Nacherfüllung)
Darüber hinaus empfehle ich, Folgendes ebenfalls einvernehmlich zu vereinbaren:

 

  • eine RACI-Matrix, die die Zusammenarbeit (zumindest auf Ebene der einzelnen Gewerke) regelt. Bewährt hat sich für mich in dem Zusammenhang auch, diese mit den jeweiligen geplanten Fertigstellungsdaten zu versehen – das gibt Planungssicherheit für alle Parteien
  • eine Definition von Fehler- und Störungskategorien
  • Service-Level und Reaktionszeiten – zumindest für die Abnahmen und Fehlerbeseitigungen

Ferner sollten Sie berücksichtigen, dass all das keinesfalls gleichzeitig bedeutet, dass die Abrechnung nur in Form von Festpreisen erfolgen kann. Die Leistungen können auch nach T&M (Zeit und Aufwand) (siehe dazu auch BLOG 5) abgerechnet werden. Wesentlich ist aber, dass der Entgeltanspruch des Auftragnehmers erst nach erfolgter Abnahme der die Leistungen begründenden Gewerken besteht. Eine Regelung könnte lauten:

„Nach erfolgreicher Abnahme können monatlich die nachgewiesenen und freigegebenen Aufwände für die in dem Monat fertig gestellten Teilergebnisse in Rechnung gestellt werden – die entsprechenden Abnahmeformulare und freigegebenen Zeitaufschreibungen sind der Rechnung beizufügen.“

Nach meiner Wahrnehmung besteht ein großer Nachholbedarf bei der Anpassung von IT-Dienstleistungsverträgen in Unternehmen. Rechtskonformität und Rechtssicherheit ist eine wesentliche Grundlage dafür, Konfliktpotentiale für die Zukunft zu verringern und partnerschaftlich, transparent und fair miteinander umgehen zu können.

Gern bieten wir Ihnen wir Ihnen auf Anfrage () unsere Unterstützung an. Gemeinsam mit Dr. Förster, Partner bei Bartsch Rechtsanwälte in Karlsruhe (, https://www.bartsch-rechtsanwaelte.de/), begleiten wir Sie bei der Erstellung/Finalisierung neuer Verträge mit Ihren IT-Dienstleistern und übernehmen darüber hinaus gern auch die Prüfung bestehender Verträge, zeigen die Defizite und bestehende Rechtsunsicherheiten auf und machen konkrete Vorschläge, wie diese zu beseitigen sind. Idealerweise entsteht aus so einem Engagement ein entsprechendes Verständnis für diese spezifischen Fragestellungen bei Ihren dafür zuständigen Einkäufern. Sie sollten dann künftig eigenständig und anhand einer von uns für sie erstellen Checkliste in der Lage sein, rechtliche Defizite zu Ihrem Nachteil in künftigen Vertragsverhandlungen von vornherein zu vermeiden.

Sprechen Sie uns gern an und verschaffen Sie sich in einen gemeinsamen Kennenlerngespräch mit Dr. Förster und mir, Christian Schütte, einen ersten Eindruck, was wir in der Kombination unserer Kompetenzen und Erfahrungen für Sie bewirken könnten.

 


 

Ob und in welchem Umfang vom Auftragnehmer Dokumentationen für die von ihm bereitgestellten Add-Ons sowie für zusätzlich erstellte Individual-Entwicklungen, Konfigurationen oder Anpassungen zu erstellen und (als integraler Bestandteil der geleisteten Arbeiten) zu liefern sind, werde ich Ihnen im kommenden Blog-Beitrag 32 auseinandersetzen. Ich freue mich, wenn Sie meinen Blog demnächst wieder besuchen!